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"Den aufgezwungenen Weg in die Fremde nachempfinden"
Deutlich sichtbar war am 10. September die Menschenmenge, die in Erinnerung an die Evakuierung der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster einen Gedenkgang zum ehemaligen Bahnhof unternahm. Bunt gemischt war die Gruppe der Teilnehmenden, die sich versammelt hatte, um den Weg nachzulaufen, den 1251 Patientinnen und Patienten gemeinsam mit Schwestern und Pflegern gehen mussten. Der Gedenkgang fand im Rahmen des regionalen Gedenk- und Erinnerungstag genau 75 Jahre nach der Evakuierung der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster statt. Eine Gruppe von vier Patientinnen band weiße Stofffetzen, Bänder und Schleifen an Bäume am Wegesrand als Symbol „des Verlorenen und des aufgezwungenen Weges in die Fremde“.
Der Gedenktag wurde mit Begrüßungsworten von René Berton, stellvertretender Geschäftsführer des Pfalzklinikums sowie von Dr. Michael Brünger, geschäftsführendes Mitglied des Ausschusses für Gedenkarbeit, eingeleitet: „Die Schicksale und Geschehnisse des 10. Septembers 1939 sollen heute nachempfunden werden. Der Weg, den 1939 die Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster gemeinsam mit Pflegepersonal gingen und der damit verbundene Aufbruch ins Ungewisse stehen hierbei im Mittelpunkt.“
Mit dabei war auch Vanessa F., eine Patientin des Pfalzklinikums, die einen kleinen von ihr gestalteten pfälzischen Sandstein am Dokumentationszentrum des Pfälzer Gedenkstätte für die Opfer der NS-Psychiatrie niederlegte.
Nach dem Gedenkweg und der Rückkehr ins Pfalzklinikum wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Saxofonisten Peter Damm und seinen freien Improvisationen empfangen. Ab 16 Uhr zeigte das Chawwerusch Theater im historischen Hauptgebäude des Pfalzklinikums die Szene „Leere Betten“. Die Schauspieler des Ensembles schlüpften in die Rollen eines Erzählers, eines Angehörigen der Patientin Hermine D. aus Esslingen, des damaligen „Anstaltsleiters“ Gottfried Edenhofer und einer Krankenschwester. Der Worte der Krankenschwester stammten aus dem Buch „Die Pfalz und die Pfälzer" von August Becker, erschienen 1857, dem Eröffnungsjahr der Psychiatrie in Klingenmünster. In seiner kulturhistorischen Schrift beschreibt er die liebliche Pfälzer Landschaft. Diese Zitate erzeugten bewusst einen Gegensatz zu dem 1939 erzwungenen Aufbruch in die Fremde. Menschenunwürdig wurden die Evakuierten in Viehwaggons transportiert, einige mehr als zwölf Stunden lang.
In Erinnerung an diese ungeheuerliche "Reise" vor 75 Jahren stand der Verkehr auf der Weinstrae in Klingenmünster für einige Minuten still. Die Organisatoren aus dem Pfalzklinikum, Mitarbeiter der Kreisverwaltung und Beamte der Polizeiinspektion Bad Bergzabern sorgten für eine würdige Veranstaltungsatmosphäre.
Kontakt
Pfalzklinikum
Rita Hunsicker
Sekretariat Gedenkarbeit
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