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Professor Reinhard Steinberg in den Ruhestand verabschiedet

Klingenmünster. Der Mediziner, der Musiker, der ganze Mensch Reinhard Steinberg erlebte am 29. November einen besonderen Tag in seinem nunmehr 66. Lebensjahr: Mit einem Festakt verabschiedete das Pfalzklinikum den langjährigen Ärztlichen Direktor in den Ruhestand.
Zahlreiche Gäste, Mitarbeiter und die Familie waren der Einladung gefolgt. In der Turnhalle des BKV-Zentrums am Standort Klingenmünster würdigten Wegbegleiter die Leistungen und Verdienste von Professor Steinberg.
Bezirkstags- und Verwaltungsratsvorsitzender Theo Wieder dankte ihm „für die Mitgestaltung des Klinikums in fast 25 Jahren, die immer durch das Bemühen gekennzeichnet waren, die bestmögliche Lösung zu finden“. Wieder schlug mit seiner Fotopräsentation eine Brücke vom „Rheinpfalz“-Bericht über Steinbergs Amtseinführung unter der Überschrift „Versorgung und Forschung nicht zu trennen“ bis in die Gegenwart. Mit seinem Engagement als Hochschullehrer habe der Professor den Status des Pfalzklinikums als Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz begründet und für die Zukunft nachhaltig gefestigt.
Landrätin Theresia Riedmaier charakterisierte Steinberg als „eine der bedeutendsten Persönlichkeiten dieser Region“ und wünschte ihm in ihrer alten Heimat München, wohin er nun ziehen wird, „viel Glück!“ Der emeritierte Ärztliche Direktor des Klinikums Bamberg Prof. Dr. Dr. Wilfried Günther gestaltete mit Fotos und Anekdoten eine heitere „Hommage an einen Freund, medizinischen Kollegen und künstlerischen Partner“. Die Chefärztin der Abteilung 2 an der Rheinhessen-Fachklinik Alzey PD Dr. Anke Brockhaus-Dumke übermittelte Grüße aus dem Landeskrankenhaus, mit dem Steinberg und seine Teams bei verschiedenen Kooperationsprojekten zusammengearbeitet hatten, so zum Beispiel beim „stattkrankenhaus“. Dabei geht es unter anderem auch darum, Patienten auf Wunsch auch zu Hause aufzusuchen.
„Sie haben Ihr Wissen, Ihre Kraft und Ihre Persönlichkeit für unser Haus eingesetzt – dafür danke ich Ihnen im Namen des Klinikumvorstands sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr herzlich“, sagte Pflegedirektorin Julitta Hinz. Sie bat Steinberg um einen musikalischen Auftritt im künftigen Rosengarten, der zurzeit im Innenhof von Gebäude 3, 4 und 6 entsteht. Damit er „immer den Weg in die Pfalz zurückfindet“, schenkte sie ihm einen Kompass. Personalratsvorsitzender Martin Schlimmer-Bär erinnerte an viele Streitgespräche („es war nicht immer einfach“) und überreichte sein Wein-Präsent in einer ver.di-Tasche mit dem Aufdruck „Kann Gewerkschaft Sünde sein?“
Dann erteilte Chefärztin Dr. Gudrun Auert aus Kaiserslautern, die die Moderation der Veranstaltung übernommen hatte, Steinberg selbst das Wort, für seinen Vortrag „Zum Menschenbild der Psychiatrie“. Darin sprach er eine Reihe von spannenden Fragen an, so zum Beispiel: „Gibt es ein Recht auf Krankheit? Und auf Gesundheit? Ist Selbstbestimmung die oberste Richtschnur? Was ist die Norm? Stigmatisieren wir nicht auch selbst, wenn wir beispielsweise von ‚nicht-wartezimmerfähigen’ Patienten sprechen?“ In seinem Vortrag setzte er sich auch mit den „perfiden, unmenschlichen Verbrechen während der NS-Zeit“ auseinander.
Geschäftsführer Paul Bomke überreichte dem scheidenden Ärztlichen Direktor am vorletzten Arbeitstag eine Urkunde mit „Dank und Anerkennung für die langjährige treue Pflichterfüllung“. Sein Geschenk an den Naturliebhaber Steinberg war ein Vogelhaus für den Garten. Dazu passend hatte das Team der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie eine Bank mitgebracht, die aus einem Stück Holz gearbeitet war. Steinbergs Chefarzt-Nachfolgerin Dr. Sylvia Claus beschrieb witzig die Vorzüge dieses Gartenmöbels, das sowohl angelehnt-entspannendes als auch freies, die Achtsamkeit förderndes Sitzen ermöglicht.
Für tolle Stimmung sorgte das Saxofon-Quartett „Femmes du saxe“ aus Mannheim, vier junge Frauen, die poppig und rockig daher kamen, im kleinen Schwarzen zu Strümpfen in Pink; ein interessanter Kontrast zum F-Dur-Oktett Franz Schubert, das Reinhard Steinberg als Cellist gemeinsam mit sieben Musikern des Bayerischen Ärzteorchesters BÄO unmittelbar vor dem Festakt in der Klinikkirche aufgeführt hatte.
Beim bayrisch-pfälzischen Büfett, ansprechend zubereitet und angerichtet vom Gastronomie-Team des Pfalzklinikums, kam man schnell miteinander ins Gespräch, tauschte Erinnerungen aus und schmiedete Pläne.
Zur Person von Professor Dr. Reinhard Steinberg
Als Nachfolger von Prof. Haase war Steinberg seit 1987 auch Chefarzt der Allgemeinpsychiatrie und des Interdisziplinären Schlafzentrums, das er 1988 gründete. Im Zuge der Regionalisierung der Psychiatrie und den damit entstehenden gemeindenahen Angeboten für psychisch kranke Menschen übernahm er auch die Chefarzt-Verantwortung für die Tageskliniken in Landau (seit 1993), Speyer (seit 2002) und Wörth (seit 2005) sowie für die Psychiatrischen Institutsambulanzen in der Südpfalz (seit 1991). Seit 2005 übte er zudem die Chefarzt-Funktion in der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen aus. Mit dem Zusammenschluss all dieser Angebote in der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Klingenmünster im Juli 2010 übernahm Steinberg die Leitung dieser Klinik, bis er im Juli 2011 den chefärztlichen Staffelstab an seine Nachfolgerin Dr. Sylvia Claus übergab. Claus hatte als Leitende Oberärztin am Pfalzklinikum bereits mit Steinberg zusammengearbeitet, bevor sie an der AHG Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim ebenfalls als Leitende Oberärztin tätig war.
Am Standort Klingenmünster hat sich Steinberg um die Differenzierung und Spezialisierung der Angebote verdient gemacht. Unter seiner Leitung konnte sich die Schlafmedizin am Pfalzklinikum weit über die Region hinaus einen hervorragenden Ruf erarbeiten. Steinberg und seine Mitarbeiter waren wesentlich am Aufbau der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) beteiligt. Das Interdisziplinäre Schlafzentrum in Klingenmünster wurde deutschlandweit als eines der ersten akkreditiert. Neuland beschritt das Pfalzklinikum in der Ära Steinberg auch mit der Eröffnung der Station „Cleaneck“ für Abhängige von illegalen Drogen, mit der Entwicklung eines Therapiekonzepts für erwachsene Borderline-Patienten und mit der Gründung des „Bündnis gegen Depressionen Landau – Südliche Weinstraße“.
Geboren wurde Reinhard Steinberg in Jena. Er besuchte das Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen und studierte nach dem Abitur Humanmedizin in München. Nach seiner Promotion am Physiologischen Institut arbeitete er fünf Jahre als Assistent in der Neurophysiologie der Universität München. Einen einjährigen Forschungsaufenthalt absolvierte er am Physiologischen Institut des CNRS in Marseille. 1978 begann er mit der Weiterbildung zum Nervenarzt, zum Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie zum Somnologen (Schlafmediziner). 1986 folgten Habilitation und Privatdozentur.
Seine Lehrverpflichtungen als Professor für Psychiatrie erfüllte er an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München bis 2004, dann habilitierte er sich an die Universität Mainz um, weil das Pfalzklinikum Akademisches Lehrkrankenhaus der Johannes-Gutenberg- Universität in der Landeshauptstadt geworden war. „Fort- und Weiterbildung, sozialpsychiatrisches und wissenschaftliches Denken werden im Pfalzklinikum sehr groß geschrieben“, betont der Ärztliche Direktor, bei dem über die Jahre 25 Ärzte promoviert haben. Die Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie führt das Pfalzklinikum im Verbund mit anderen klinischen Institutionen in Rheinland-Pfalz durch, was Modellcharakter hat. Auf seine Initiative legte das Pfalzklinikum ein Stipendien-Programm für Medizin-Studenten auf, um auch angesichts des bundesweiten Fachkräftemangels motivierte und qualifizierte junge Menschen für die Arbeit in der Pfalz zu gewinnen.
Steinberg hat über 300 Artikel in Fachzeitschriften und Büchern veröffentlicht sowie als Buchherausgeber gearbeitet. In Kürze wird er im renommierten Stuttgarter Franz-Steiner-Verlag gemeinsam mit Prof. Monika Pritzel von der Universität Koblenz/Landau einen Sammelband zur Geschichte der Psychiatrie und Nervenheilkunde in Klingenmünster herausgeben. Steinberg gehört zahlreichen wissenschaftlichen Organisationen und Gesellschaften an.
Seinen ausgeprägten musikalischen Neigungen geht Steinberg seit fast sechs Jahrzehnten nach. Als Medizinstudent gründete er 1967 das Bayerische Ärzteorchester BÄO, das er seitdem als Dirigent leitet. Das hohe Niveau des BÄO ist weit über Bayern und unsere Region hinaus bei Publikum und Presse gleichermaßen anerkannt. Erst am 3. Oktober begeisterte ein gemeinsames Benefizkonzert mit dem Deutschen Ärztechor in der Landauer Marienkirche zahlreiche Musikfreunde. Von den Bürgern der Region hatte sich Reinhard Steinberg am vergangenen Wochenende mit dem Schubert-Konzert in Böllenborn und Klingenmünster verabschiedet.