Aktuelles
Tagesstätte für Menschen mit Demenz ist für alle da
Am letzten Freitagnachmittag im August ließen sich 's die Festgäste in der Danziger Straße 29 gut gehen. Tagesgäste, die bereits regelmäßig kommen, und ihre Angehörigen waren ebenso interessiert zu sehen und hören, was es Neues gibt, wie Bürger, die sich zum ersten Mal in den einladenden Räumen der Tagesstätte umschauten. In lockerer Atmosphäre führten Mitarbeiter die Besucher durchs Haus, dessen Ziel die Aktivierung und Förderung von Menschen mit Demenz ist.
Wie wichtig dieses Angebot ist, wird auch in der Spendenbereitschaft von Bürgern der Region deutlich. Die Familien Dausch und Dausch-Franz aus Eschbach und Landau überwiesen der Einrichtung einen großzügigen Betrag, nachdem die an Demenz erkrankte Mutter kürzlich verstorben war. Die Töchter hatten so eine Fördereinrichtung für die Mama schmerzlich vermisst und wollen mit ihrer Spende nun anderen Betroffenen Mut machen, Unterstützung anzunehmen. "Nur wer aufpasst, dass er nicht selbst ausbrennt, wer dem Stress durch die Dauerbelastung wirksam begegnet, kann als pflegender Angehöriger das erkrankte Familienmitglied möglichst lange zu Hause betreuen", sagt die Leiterin der Tagesstätte Rita Becker-Scharwatz. Zum Dank an die Spenderinnen hatte ihr Team eine kleine Schrifttafel an der Hauswand anbringen lassen. Gemeinsam wurde ein Rosenstock in den Vorgarten gepflanzt. Spendenbereit hatte sich auch die Firma Gillet gezeigt und den Kauf von Gartenmöbeln finanziell unterstützt, die auf der Terrasse vor der Tagesstätte zum Verweilen einluden. Zahlreiche Kuchenspenden sorgten für reich gedeckte Tische.
Schon zum dritten Mal in der Tagesstätte zu Gast, animierte die Drachenfelsgruppe aus Busenberg mit Volks- und Wanderliedern zum Mitsingen. Sogar zum Tanzen ließ sich ein älterer Herr auffordern und drehte mit seiner Partnerin eine Runde unter blauem Himmel, bevor er, leicht erschöpft, wieder in seinem Rollstuhl Platz nahm. Dann verfolgte er mit den anderen die nächste Attraktion: Mitarbeiterinnen hatten Sketche voller Humor vorbereitet, so zum Beispiel eine Schmink-Szene: Anmutig pudert sich eine demente Frau die Wangen mit Mehl, trägt sich "Rouge" aus dem Rote-Bete-Glas auf und streicht sich Ketchup auf die Lippen. Auch wenn sie die Utensilien krankheitsbedingt verwechselt, ihre würdevolle Haltung als Frau hat sie sich bewahrt.
"Wir können Demenzkranken nur in der Zeit begegnen, in der sie gerade sind", erzählt Claudia Sefzig vom Betreuungsteam. "Frauen fangen wieder zu stricken an, wenn sie in die Zeit zurückgehen, als sie ein Kind erwarteten", berichtet Ingrid Hauff, die glücklich darüber ist, dass sie zur Eröffnung der Tagesstätte des Pfalzklinikums im Januar 2012 noch einmal so richtig beruflich durchstarten konnte. Sie gestaltet mit den Tagesgästen farbenfrohe "Musikmacher" aus Küchenkrepprollen und Stoffresten oder fertigt mit ihnen Rasseln aus bunt gefärbten Kronkorken. "Wir suchen immer auch interessante Angebote für die männlichen Besucher, die lieber mit Bohrer und Zange umgehen als mit Buntstiften und Wollresten", so die Mitarbeiterinnen. "Herr X. liebt Marschmusik, da beruhigt er sich, wenn er Erholung braucht nach den Strapazen seiner durchlebten Kriegserinnerungen. Erst gestern musste ich mich in den Weinbergen mit ihm vor Tieffliegern in seinen Gedanken verstecken. Es hat keinen Zweck zu erklären, dass keine Flugzeuge da sind. Es hilft, wenn man ihn so annimmt, wie er jetzt ist."
Das hört sich einfacher an, als es ein Familienangehöriger ohne Wissen über die Krankheit leisten kann. Auch deshalb bietet Sarah Doll, Fachkrankenschwester aus der Klinik für Gerontopsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Klingenmünster, ab 12. September eine Selbsthilfegruppe in der Tagesstätte an. Verwaltungsratsmitglied Heinrich Wissing, Pfalzklinikum-Geschäftsführer Paul Bomke, Birgit Fuchs als Leiterin der Einrichtung "Betreuen - Fördern - Wohnen" und Sven Kaufmann, Pflegedienstleiter der Klinken für Neurologie und Gerontopsychiatrie, zeigten sich beim Besuch des Sommerfestes beeindruckt von der zunehmenden Vernetzung der Angebote.
So startet am 8. Oktober in der Tagesstätte das Bewegungs- und Gedächtnistraining "BeKo-Train", das die Projektgruppe "Umschwung" in Bad Bergzabern initiiert hat. Für den Kurs mit zehn Terminen, jeweils dienstags von 14.30 bis 16 Uhr, kann man sich in der Tagesstätte oder beim Seniorenreferenten des Protestantischen Dekanats, Gerhard Moser, anmelden. Geleitet wird dieser Kurs für Senioren, die durch gezieltes Training ihre Lebensqualität verbessern möchten, von Karin Kübel, die kürzlich ihre Weiterbildung als SimA-Trainerin abschloss. SimA steht für "Selbständig im Alter", und die erfolgreiche Fortbildung brachte der Mitarbeiterin beim Sommerfest einen bunten Blumenstrauß ein, überreicht von ihrer Chefin.
Als Diplom-Gerontologin ist Rita Becker-Scharwatz selbst bestens für ihre Tätigkeit qualifiziert. "Wir sind die einzige Tagesstätte, die ihr Konzept mit wissenschaftlicher Begleitung entwickeln konnte und die die eigene Arbeit von einer Wissenschaftlerin der Universität Heidelberg bewerten lässt. Und was viele nicht wissen: Jeder demenzkranke Mensch hat das Recht, unsere Tagesstätte zu besuchen", räumt sie mit weit verbreiteten Unsicherheiten auf. "Wir prüfen mit Interessierten ganz individuell, welche Ansprüche die Familie hat und rechnen aus, wie oft und wie lange ein Gast ohne Zuzahlung zu uns kommen kann."
Die Tagesstätte für Senioren liegt direkt neben dem Krankenhaus und am Rande der Weinberge. Es ist die erste Tagesstätte in der Region, die sich – auf wissenschaftlicher Grundlage - auf den Schwerpunkt Demenz spezialisiert hat. Die Einrichtung bietet Platz für insgesamt 20 Gäste pro Tag. Sie kann an einzelnen Tagen oder auch stundenweise besucht werden. Die Tagesstätte ist von montags bis freitags jeweils von 8 bis 16 Uhr, mittwochs sogar bis 17 Uhr geöffnet. Die Mahlzeiten sind inklusive. Betreut und gefördert werden die Tagesgäste von neun Fachkräften, die Ausbildungen in den Bereichen Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege, Gerontologie (Wissenschaft vom Altern), Demenzbegleitung und Ergotherapie haben. Auf Wunsch bietet das Team um Rita Becker-Scharwatz einen „Schnuppertag" an. Finanziert werden kann der Aufenthalt über die Pflegekasse.
Kontakt
Rita Becker-Scharwatz
Fachbereichsleiterin „Regionale Angebote – Leben im Alter" der Einrichtung „Betreuen – Fördern – Wohnen"
Tel. 06349 900-4509
rita.becker-scharwatzpfalzklinikum.de
Sven Kleinböck
Stellv. Leitende Pflegefachkraft
Tagesstätte Bad Bergzabern
Tel. 06343 9892510
sven.kleinboeckpfalzklinikum.de
Sekretariat „Betreuen – Fördern – Wohnen"
Tel. 06349 900-4501